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Informieren Sie sich hier über die Sitzende Lebensweise und ihre Auswirkungen auf unsere Gesundheit und Gesellschaft.
Die Themen sind durch Fragen gegliedert. Zu jeder Frage finden Sie eine Kurzantwort als auch eine ausführlichere Zusammenfassung des Themas.
Was bedeutet “Sitzende Lebensweise”?
Kurzantwort: Das Verharren in einer Körperhaltung bei einem geringen Stoffwechselumsatz.
Was wir umgangssprachlich „Sitzende Lebensweise“ nennen bezeichnet die Wissenschaft als „sedentäres Verhalten“. Dies wird definiert als
„jegliche Art von Verhalten, die im Wachzustand in einer Sitz-, Liegesitz- oder Liegeposition und bei einem Energieverbrauch von ≤1.5 Metabolischem Äquivalent (METs) durchgeführt wird.“[1]
Gesundheitlich relevant sind laut dieser Definition Zeitabschnitte im eigenen Tagesablauf, in denen folgende Punkte gleichzeitig erfüllt sind
- man ist wach
- verharrt in einer Körperhaltung
- und der Stoffwechselumsatz ist nahe dem Ruheumsatz
Diese Punkte erfüllt man häufig im Büro, im Auto und bei der Benutzung elektronischer Geräte. Gesundheitsrisiken entstehen erst, wenn diese Zeiten körperlicher Inaktivität einen großen Anteil am Tagesablauf einnehmen und es keine regelmäßigen Unterbrechungen mit körperlicher Aktivität gibt. In unseren heutigen Lebens- und Arbeitswelten ist das häufig der Fall, ob in der Schule, im Büro oder in der Freizeit.
Was sind die Ursachen?
Kurzantwort: Unsere Umgebung, die veränderte Arbeitswelt und Freizeitgestaltung.
Unsere sitzende Lebensweise folgt aus dem Bestreben des Menschen, das Leben einfacher und bequemer zu gestalten. Insbesondere seit der Mitte des letzten Jahrhunderts kommt es zu einer enormen Beschleunigung der technischen Entwicklungen, die unsere Lebens- und Arbeitsweisen vereinfachen, aber auch rapide verändern. So steht beispielsweise das Auto wie kein anderes technisches Hilfsmittel für anstrengungsloses, individuelles Reisen. In unserem Alltag nehmen uns weitere Hilfsmittel die Arbeit ab, wie z.B. der Fahrstuhl in die oberen Etagen, oder der Roboter-Rasenmäher, der uns beim Rasenmähen auch die letzte körperliche Anstrengung abgenommen hat.
Auch in der Arbeitswelt nehmen uns technische Hilfsmittel und Roboter in immer mehr Bereichen körperlich anstrengende Arbeiten ab. Die Arbeitswelt wandelt sich dadurch von der körperlichen Arbeit hin zur Wissensarbeit, die hauptsächlich im Büro und vor Bildschirmarbeitsplätzen stattfindet.
Aber der technische Fortschritt verändert auch das Freizeitverhalten. Fernseher, Computer, Internet und digitale Medien, sie ersetzen immer häufiger frühere Freizeitbeschäftigungen mit körperlicher Anstrengung oder den Aufenthalt in der Natur.
Das Ergebnis all dieser Entwicklungen ist, dass wir heute den überwiegenden Teil des Tages in einer sitzenden Haltung verbringen und körperlich inaktiv sind.[1], [2], [3]
[1] Owen et. al. 2012, Physiological Measurement, doi: 10.1088/0967-3334/33/11/1801
[2] Owen et. al. 2010, Exercise and Sport Sciences Reviews, doi: 10.1097/JES.0b013e3181e373a2
[3] Bucksch et. al. 2014, German Journal of Sports Medicine, doi: 10.5960/dzsm.2012.077
Wieviel Zeit sitzen wir am Tag?
Kurzantwort: Erwachsene sitzen im Durchschnitt 6 bis 8 Stunden am Tag.
Hierzu gibt es unterschiedliche Angaben, denn die Ergebnisse sind u.a. abhängig vom Messverfahren.[1] Häufig werden Probanden gebeten, während ihres Alltages die sedentären Zeitabschnitte zu erfassen. Die Ergebnisse variieren, je nach verwendetem Fragebogen und Kontext, in dem eine Person ihren Tagesablauf verbringt. Denn es gelingt den Probanden in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich gut, ihre Sitzzeiten zu erfassen. Während beispielsweise Fernsehzeiten relativ präzise erfasst werden, stellt man fest, dass selbst erfasste Sitzzeiten am Arbeitsplatz regelmäßig unterschätzt werden, wenn man sie stichprobenartig mit Messungen überprüft.[2]
Möglichst objektive Daten werden beispielsweise durch klinische Versuche ermittelt. [3] Dazu tragen Probanden während ihres Alltags Beschleunigungssensoren. Diese Messungen zeigen, dass sich Erwachsene im Durchschnitt 6 bis 8 Stunden am Tag sedentär verhalten. Bei Erwachsenen über 60 Jahre sind es im Durchschnitt sogar 8,5 bis 9,6 Stunden am Tag.[3]
[1] https://www.sedentarybehaviour.org/sedentary-behaviour-questionnaires/
[2] Young et. al., 2016, Circulation 134 (13), e262ff, doi: 10.1161/CIR.0000000000000440
[3] ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02566317 https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02566317
Welche Auswirkungen hat die sitzende Lebensweise auf unsere Gesundheit?
Kurzantwort: Unser Risiko schwer zu erkranken und früher zu sterben ist erhöht.
Eine Vielzahl von Studien belegt, dass eine sitzende Lebensweise das Erkrankungs- und Sterberisiko erhöht.[1] Ursache sind verschiedene Krankheiten, deren Auftreten durch die sitzende Lebensweise begünstigt werden:
- Diabetes Mellitus[1],[2],[3]
- Herzkreislauferkrankungen[1],[2],[3]
- bestimmten Krebsarten[5],[4]
- Depressionen[5],[6]
- Adipositas (Fettleibigkeit)[7],[8]
Neben diesen Erkrankungen begünstigt die sitzende Lebensweise auch:
- Rücken-, Nacken-, Schulterschmerzen[9],[10]
- den Abbau von Hirnstrukturen[11]
- einen eingeschränkten Fettstoffwechsel[12]
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft körperliche Inaktivität heute weltweit als viertgrößte der vermeidbaren Todesursachen ein und schätzt die Todesfälle durch körperliche Inaktivität pro Jahr auf 3,2 Millionen Tote weltweit[13]. Eine Studie eines der renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften kommt zu dem Ergebnis, dass alleine die sitzende Lebensweise jedes Jahr für 5,3 Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich sei. Diese Zahl ist vergleichbar mit den Todesfällen, die jedes Jahr auf das Rauchen zurückzuführen sind: 5,1 Millionen Todesfälle weltweit.[2]
[1] Young et. al., 2016, Circulation 134 (13), e262ff, doi: 10.1161/CIR.0000000000000440
[2] Lee et. al. 2012, The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(12)61031-9
[3] Wilmot et. al. 2012, Diabetologia, doi: 10.1007/s00125-012-2677-z
[4] JNCI 2014, Journal of the National Cancer Institute, doi: 10.1093/jnci/dju206
[5] Rhodes et. al. 2012, American Journal of Preventive Medicine, doi: 10.1016/j.amepre.2011.10.020
[6] Uffelen et. al. 2013, doi: 10.1016/j.amepre.2013.04.009
[7] Banks et. al. 2011, Public Health Nutrition, doi: 10.1017/S1368980010000674
[8] Proper et. al. 2007, International Journal of Obesity, doi: 10.1038/sj.ijo.0803357
[9] Hallman et. al. 2015, Int Arch Occup Environ Health, doi: 10.1007/s00420-015-1031-4
[10] Morris et. al. 2019, BMC public health, doi: 10.1186/s12889-019-6615-6
[11] Siddarth et. al. 2018, Plos One, doi: 10.1371/journal.pone.0195549
[12] Bey et. al. 2003, The Journal of Physiology, doi: 10.1113/jphysiol.2003.045591
[13] https://www.chip.de/news/Sitzen-ist-das-neue-Rauchen-Eine-Stunde-kostet-22-Minuten-Lebenszeit_100196681.html
Gleicht Sport die Risiken der sitzenden Lebensweise aus?
Kurzantwort: Die schädlichen Einflüsse des Sitzens lassen sich durch Sport nicht ausgleichen.
Viele Indizien in wissenschaftlichen Studien deuten darauf hin, dass sich die schädlichen Einflüsse die während des Sitzens entstehen, sich durch Sport nicht wieder ausgeglichen lassen.[1],[2],[3]
Wie kommen die Wissenschaftler/innen zu dieser Schlussfolgerung?
Studien zeigen, dass Personen mit einem sedentären (inaktivem) Lebensstil insgesamt früher sterben als Personen, die sich in ihrem Alltag regelmäßig bewegen. Auffällig ist, dass die Sterblichkeit nur von der Frage abhängt, ob die Personen sich sedentär verhalten oder nicht. Die Gesamtsterblichkeit ist durch den sedentären Lebensstil erhöht, unabhängig davon ob man Sport macht oder nicht.
Bildlich kann man sich das Problem so vorstellen: Setzt man sich im Sommer zu lange in die pralle Sonne, dann hilft es abends auch nicht mehr sich in den Keller zu setzen. Man bekommt einen Sonnenbrand. Ähnlich ist es mit unserem sedentären Lebensstil. Wenn wir jeden Tag 8 Stunden inaktiv im Büro sitzen, dann wird diese Überdosis gesundheitsschädlich. Diese negativen Einflüsse können wir dann abends nicht mehr durch Sport ausgleichen.
Es muss betont werden, dass der gesundheitsfördernde Effekt von Sport unbestritten ist. Die genannten Forschungsergebnisse sollen deshalb in keinem Fall dazu ermutigen weniger Sport zu treiben! Wichtig ist es aber zu verstehen, dass auch Sportler sedentäre Zeiten reduzieren und regelmäßige Bewegungen in ihren Alltag einbauen sollten, um Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Denn es ist gesünder sich regelmäßig nur ein bisschen zu bewegen, anstatt lange Zeiten inaktiv zu sein und in den dazu vergleichsweise kurzen Zeiten Sport zu machen.[4]
[1] van der Ploeg et. al. 2012, Archives of Internal Medicine, doi: 10.1001/archinternmed.2011.2174
[2] Puig-Ribera et. al. 2017, BMC Public Health, doi: 10.1186/s12889-017-4367-8
[3] Wallmann-Sperlich et. al. 2014, doi: 10.1055/s-0034-1387059
[4] Levine et. al. 2002, Best Practice & Research, doi: 10.1053/beem.2002.0227
Test
Sie sind auf der Wissensseite.
„jegliche Art von Verhalten, die im Wachzustand in einer Sitz-, Liegesitz- oder Liegeposition und bei einem Energieverbrauch von ≤1.5 Metabolischem Äquivalent (METs) durchgeführt wird.“
Gesundheitlich relevant sind laut dieser Definition Zeitabschnitte im eigenen Tagesablauf, in denen folgende Punkte gleichzeitig erfüllt sind
• man ist wach
• verharrt in einer Körperhaltung
• und der Stoffwechselumsatz ist nahe dem Ruheumsatz
Diese Punkte erfüllt man häufig im Büro, im Auto und bei der Benutzung elektronischer Geräte. Gesundheitsrisiken entstehen erst, wenn diese Zeiten körperlicher Inaktivität einen großen Anteil am Tagesablauf einnehmen und es keine regelmäßigen Unterbrechungen mit körperlicher Aktivität gibt. In unseren heutigen Lebens- und Arbeitswelten ist das häufig der Fall, ob in der Schule, im Büro oder in der Freizeit.
Hierzu gibt es unterschiedliche Angaben, denn die Ergebnisse sind u.a. abhängig vom Messverfahren.[1] Häufig werden Probanden gebeten, während ihres Alltages die sedentären Zeitabschnitte zu erfassen. Die Ergebnisse variieren, je nach verwendetem Fragebogen und Kontext, in dem eine Person ihren Tagesablauf verbringt. Denn es gelingt den Probanden in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich gut, ihre Sitzzeiten zu erfassen. Während beispielsweise Fernsehzeiten relativ präzise erfasst werden, stellt man fest, dass selbst erfasste Sitzzeiten am Arbeitsplatz regelmäßig unterschätzt werden, wenn man sie stichprobenartig mit Messungen überprüft.[2]
Möglichst objektive Daten werden beispielsweise durch klinische Versuche ermittelt. [3] Dazu tragen Probanden während ihres Alltags Beschleunigungssensoren. Diese Messungen zeigen, dass sich Erwachsene im Durchschnitt 6 bis 8 Stunden am Tag sedentär verhalten. Bei Erwachsenen über 60 Jahre sind es im Durchschnitt sogar 8,5 bis 9,6 Stunden am Tag.3
[1] https://www.sedentarybehaviour.org/sedentary-behaviour-questionnaires/
[2] Young et. al., 2016, Circulation 134 (13), e262ff, doi: 10.1161/CIR.0000000000000440
[3] ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02566317 https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02566317
Viele Indizien in wissenschaftlichen Studien deuten darauf hin, dass sedentäres Verhalten ein eigenständiger Risikofaktor für die Gesundheit ist. Das bedeutet, dass sich die Gesundheitsrisiken die durch eine sedentäre Lebensweise entstehen nicht durch Sport und Bewegung ausgleichen lassen.[1],[2],[3]
Wie kommt man zu dieser Schlussfolgerung? Wissenschaftler haben das Auftreten von Erkrankungen und Sterbefällen in Personengruppen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und Risikofaktoren analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Personen, die sich sedentär verhalten, eine höhere Gesamtsterblichkeit haben als Personen, die sich nicht sedentär verhalten. Dabei ist mit Gesamtsterblichkeit die Anzahl der Todesfälle innerhalb dieser Gruppe gemeint, unabhängig an welcher Ursache die Person gestorben ist. In diesen Analysen stellte man u.a. fest, dass die Gesamtsterblichkeit durch einen sedentären Lebensstil erhöht ist, unabhängig davon, ob die Personen mit sedentärem Lebensstil auch Sport treiben oder nicht.
Das bedeutet, dass die Risiken, die sich in der lange Zeit, in der wir uns sedentär verhalten nicht ausgleichen lassen durch die relativ kurze Zeit, in der wir Sport treiben.
Unbestritten ist der grundsätzlich positive Effekt von Sport auf die Gesundheit. Die genannten Forschungsergebnisse sollen also niemanden dazu ermutigen weniger Sport zu treiben! Die Forschung weist allerdings darauf hin, dass sowohl Personen, die viel Sport neben der Arbeit treiben, als auch Personen, die keinen Sport machen gleichermaßen von den Gesundheitsrisiken der sedentären Lebensweise betroffen sind. Auch wenn man viel Sport treibt sollte man also die sedentären Phasen im eigenen Alltag reduzieren, um Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Denn plakativ ausgedrückt können die Schäden die durch viele Stunden sitzen in der Woche entstehen nicht durch die im Vergleich dazu relativ kurze Zeit in der wir Sport machen wieder ausgeglichen werden.
[1] van der Ploeg et. al. 2012, Archives of Internal Medicine, doi: 10.1001/archinternmed.2011.2174
[2] Puig-Ribera et. al. 2017, BMC Public Health, doi: 10.1186/s12889-017-4367-8
[3] Wallmann-Sperlich et. al. 2014, doi: 10.1055/s-0034-1387059, https://www.doi.org/10.1055/s-0034-1387059
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